Das Volksblatt berichtete letzte Woche darüber, dass seit Anfang dieses Jahres die Kassen säumige Prämienzahler leichter betreiben und vor allem relativ problemlos die Auszahlung von Leistungen einstellen können. Bezahlt werden von den Kassen nur noch Notfallbehandlungen
Der Geschäftsführer des LKV unterscheidet dabei zwei Kategorien von säumigen Prämienzahlern: solche, die sich die Prämien und Franchisen nicht leisten können und solche, die schlicht nicht zahlen wollen; letztere Gruppe sei die weitaus grössere. Ausserdem kündigte er an, dass der Begriff Notfallbehandlung sehr strikt ausgelegt werde.
Diese Aussage macht uns betroffen, einmal weil sie so nicht stimmt, vor allem aber deshalb, weil einmal mehr eine Gruppe von Menschen unverdient an den Pranger gestellt wird. Wie den genannten Zeitungsartikeln zu entnehmen ist, beobachten die Kassen seit ca. zwei Jahren eine starke Zunahme von „säumigen Zahlern“, also exakt seitdem die Prämien aufgrund der Kürzung des Staatsbeitrages massiv erhöht werden mussten und zusätzlich hohe Kostenbeteiligungen anfallen. Dies wurde auch vom Schuldenberater und der Stiftung „Liachtbleck“ bestätigt.
Die gleichen Erfahrungen hat auch die LIPO gemacht. Seit den beiden hohen Prämienrunden und speziell seit die hohe Kostenbeteiligung zu entrichten ist, hat die Zahl der Klienten, die Rat suchen, wie sie die Prämien-und Franchisenlast tragen sollen, massiv zugenommen. Während manche ihre Zusatzversicherungen kündigen, und viele Senioren ihre seit Jahrzehnten bezahlten Privat-und Halbprivatversicherungen für Spital stationär aufgeben müssen, besteht für viele, die schon bisher nur zum Minimum versichert waren, diese Möglichkeit nicht. Für diese wird es prekär. Oft sind es solche Personen, die gerade noch zuviel verdienen, um eine Prämienverbilligung beantragen zu können.
Die Verordnungsänderung erleichtert Betreibungen und legt fest, dass Behandlungen nur noch in Notfällen von den Kassen bezahlt werden müssen, verschiebt aber nur das Problem. Das Risiko von Ausständen wird von den Kassen zu den Versicherten, und vor allem zu den Ärzten verschoben. Wie kann ein Arzt, der immerhin einen Eid geleistet hat, eine nötige Behandlung verweigern?
Die Schlagzeile im Volksblatt “Säumige Prämienzahler werden für Kassen zum Problem“ trifft also nicht zu, da für die Kassen das Problem mit dieser Verordnung gelöst wurde.
Nicht gelöst wurde damit hingegen das grundsätzliche Problem, dass für viele Versicherte die Belastung durch hohe Prämien und hohe Kostenbeteiligungen einfach zu gross wird. Die LIPO schlägt daher vor, das Prämienverbilligungssystem auszubauen. Durch Anhebung der Einkommensgrenzen und Erhöhung der möglichen Prämienreduktionen könnte ein grösserer Teil der unteren Einkommen als bisher profitieren. Im Jahr 2016 hatten rund 14,4% der Versicherten Anspruch auf eine Prämienverbilligung, im Vergleich dazu sind es in der Schweiz rund ein Drittel der Versicherten. Bei derart drastischen Veränderungen, wie sie die massiven Prämienerhöhungen und zugleich massiven Erhöhungen der gesetzlichen Kostenbeteiligung darstellen, ist eine flankierende Massnahme in Form einer Erweiterung des Prämienverbilligungsmodells mehr als angebracht. Das hat der Landtag bereits bei der KVG-Revision 2013 versäumt. Wenn deutlich mehr Personen mit unteren und mittleren Einkommen Anspruch auf Prämienverbilligung hätten, sänke auch die Zahl der sogenannten säumigen Prämienzahler drastisch, vor allem entfiele auch der für viele entwürdigende Gang zum Sozialamt.