Verfehlte Gesundheitspolitik
Der Landtag hat in seiner letzten Sitzung eine Revision des KVG sang- und klanglos abgesegnet, ohne sich um die Interessen der Betroffenen zu kümmern.
Der Leistungsaufschub ist nun auf Gesetzesstufe verankert, wie der Staatsgerichtshof es gefordert hat; dessen weiterer Forderung nach der Verhältnismässigkeit einer solchen Gesetzesbestimmung wurde jedoch nicht gefolgt.
Die Liechtensteiner Patientenorganisation (LIPO) hat sich dezidiert gegen den Leistungsaufschub ausgesprochen und ist enttäuscht, dass der Landtag diesem Anliegen in seltener Einmütigkeit eine Absage erteilt hat. Und das just zu Zeiten, wo eine Krankenversicherung, die im Anlassfall auch zahlt, nötiger ist denn je. Der Kanton Aargau, einer der wenigen Schweizer Kantone, die noch an der schwarzen Liste für säumige Prämienzahler (Leistungsaufschub) festhalten, hat diese aufgrund der aktuellen, durch COVID 19 bedingten, Lage immerhin sistiert.
Die zentrale Ethikkommission der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften hat in einer jüngst veröffentlichten Studie die Abschaffung dieser schwarzen Listen gefordert. Abgesehen davon, dass Betroffene, Personen und Familien mit wenig Geld, nicht mehr die ganze Grundversorgung nutzen können und nur noch im Notfall behandelt werden, sei nirgends definiert, wann ein solcher Notfall vorliegt. Im Hinblick auf Infektionskrankheiten stellt ein eingeschränkter Zugang zu medizinischen Leistungen ein Problem dar, nicht nur für die Betroffenen, sondern für die ganze Gesellschaft. Solche Leistungssperren (der Begriff beschreibt die Lage weit besser als der beschönigende Leistungsaufschub) führen zu einer Weiterverbreitung der Krankheit und gefährden die öffentliche Gesundheit.
Der Grossteil der säumigen Prämienzahler ist nicht einfach zahlungsunwillig und verpulvert sein Geld mit unnötigen Anschaffungen wie Luxusautos und dergleichen. Sie können schlicht und einfach die Prämien nicht aufbringen oder leiden an einer psychischen Krise. Ursachen sind oft Schicksalsschläge wie Langzeitarbeitslosigkeit, Krankheit, Unfall oder Scheidung.
Abschaffung der Leistungssperre bedeutet zudem nicht eine Befreiung von der Bezahlung der Prämien. Gerade bei den wenigen wirklich Zahlungsunwilligen können über die tiefen Hürden für Betreibungen die ausständigen Prämien leicht und erfolgsversprechend eingezogen werden. In vielen dieser Fälle wäre die Beibehaltung der Praxis, dass der Arbeitgeber die volle Prämie vom Lohn abzieht, ein probates Mittel gewesen, das Problem gar nicht erst aufkommen zu lassen. Hier zeigte sich der Gesetzgeber jedoch in seiner Argumentation völlig inkonsistent, indem er genau diese Bestimmung abgeändert hat.
Die LIPO vertritt nach wie vor die Meinung, dass Prämienausstände nicht mit einer Leistungssperre sanktioniert werden dürfen, sondern entkoppelt davon in einem regulären Betreibungsverfahren herein zu bringen sind. Alles Andere widerspricht dem Ziel der obligatorischen Krankenversicherung, allen Zugang zur Grundversorgung zu garantieren. Die Erfahrung einiger Schweizer Kantone zeigt zudem, dass sich mit Leistungssperren die Prämienausstände nicht verringern lassen, weshalb Graubünden und Solothurn die schwarzen Listen wieder abgeschafft haben.
Was hat Liechtenstein daraus gelernt?